Eine Art Frohsinn.

Die Hände zittern. Sie versucht, den Lidstrich gerade zu ziehen. Sie versucht es, so gut es geht. Die Augenbrauen. Der Lippenstift. Die Haare sitzen, nun noch der Hut. Ein Blick in den Spiegel: ja, es passt, irgendwie. Die Augen, das sind ihre, sie blitzen noch wie früher. Die Lippen waren mal voller, das weiß sie. Und die Falten, die waren irgendwann da. Man merkt nicht, wie die Falten kommen, man merkt immer nur, wenn sie da sind. Wie plötzlich über Nacht. Immer mehr.

Sie nimmt ihren Mantel von der Garderobe, knöpft ihn zu und schlingt sich den Schal fest um den Hals. Die Stiefel – braunes abgewetztes Leder – haben ihre besten Tage schon seit Jahren hinter sich. Die Tür fällt ins Schloss, das muss reichen. Sie schließt nicht ab. Die Schritte sind vielleicht nicht mehr so fest wie vor ein paar Jahren, aber das ist in dem Moment völlig egal. Sie weiß, was ihr Ziel ist.

Sie spürt die Blicke der anderen. Das ist sie schon gewohnt. Aber warum den Pelz nicht mehr tragen, nur weil es nicht mehr öffentlich anerkannt ist? Die Tiere sind schon lange tot und werden nicht mehr lebendig, nur weil sie ihren Mantel nicht anzieht. Sie streichelt das weiche, langhaarige Fell. Und es hält warm. Er hat ihn ihr geschenkt, kurz nach der Hochzeit. Er war ein guter Mann gewesen, irgendwie. Er hat für sie gesorgt, war nur selten wütend und hat kaum gefordert. Sie haben sich gut verstanden, aber Liebe war es nie. Vielleicht Liebe, so wie man Familienmitglieder lieben kann. Aber verliebt war sie nicht. Das Verlieben ist im Krieg geblieben.

Für Vermissen ist keine Zeit, wenn man mit überleben beschäftigt ist. Und erst in den guten Zeiten lernte sie, mit der Melancholie umzugehen, die sie ab und an über sie kommt. Nur die Gedankenspiele, die verdrängt sie. Sie hätte genug Zeit für „Was wäre wenn“ aber zu wenig Kraft. Und im großen und ganzen war es doch …okay.

Die Menschen wuseln aufgeregt auf den Straßen umher, hin und wieder, immer mehr ein Knall. Ein paar Funken. Sie kann das gut ausblenden, das hat sie gelernt. Das Gehen strengt an, sie braucht länger, als erwartet. Und doch kommt sie an. Hier hat sie einen guten Blick. Sie guckt auf die goldene Armbanduhr. Zählt die Sekunden.

Um ihr herum kreischen die Menschen, Böller knallen, Raketen lassen bunten Regen fallen. „Alles Gute zum Geburtstag.“, flüstert sie. Und schließt die Augen. Und springt.

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