Irgendwo dazwischen.

In den letzten Wochen ziemlich viel nachgedacht. Über das, was sich ändert – jetzt, wo sicher ist, das eine flächendeckende Überwachung stattfindet. Und seien wir mal ganz ehrlich – ich bin auch eine derjenigen, die angeblich nichts zu verbergen und deswegen nichts zu befürchten haben – ich habe nicht vor, Straftaten jedweder Art zu begehen. Und doch bin ich betroffen.

Ich bin 25 Jahre alt und „im Internet“ war ich das erste Mal mit 11 Jahren. Ich bin -zumindest gefühlt – damit aufgewachsen, bei Amazon einzukaufen, über das Netz Pizza zu bestellen, Krankheitssymptome zu googeln und mich auszutoben – sei es in irgendwelchen Foren, auf Blogs oder auf anderen Seiten. Ich war nie wirklich von der Fraktion Aluhut, denke aber, immer halbwegs vernünftig mit meinen Daten umgegangen zu sein. Private Dinge habe ich so gut wie immer herausgehalten und Dienste wie Foursquare interessieren mich nicht im geringsten. Ich nutze Twitter gerne und viel – aber wenn ich dort etwas Privates teile, dann sehr bewusst.

Ich könnte mir ein Leben ohne Kommunikation und Konsum via Internet nur sehr schwer vorstellen. Ich möchte das auch nicht. Ich mag das, ich hab sehr viel Freude daran.

Diese Freude ist allerdings seit kurzen getrübt. Seit sicher ist, dass alles, was wir online machen, überwacht wird, hat sich was geändert. Vermutet habe ich das schon lange – aber wirklich sicher ist es erst jetzt. Und plötzlich ist es anders.

Ich fühle mich plötzlich sehr unwohl dabei, Symptome zu googeln. Oder auf politisch – sagen wir mal – schwierigen Seiten zu lesen. Ich habe mal eine Bombenbauanleitung gegoogelt  – aus reinen Interesse. Ich lese regelmäßig nach, was rechtsradikale Gruppierungen machen und schlage mich durch Truther-Foren. Ich berühre also tendenziell ein Verhaltensmuster, das mich interessant macht.

Und das macht die Sache real. Alleine durch mein Netzverhalten der letzten Jahre kann man ein genaues Bild meiner Person feststellen. Meine Amazon-Wunschliste verrät, dass ich mich für Backen, Laufen und Antisemitismusforschung interessiere. Ich kaufe Sport-BHs im Netz – meine BH-Größe ist also bekannt. Meine Kleidergröße sowieso. Aufgrund meiner Google-Suchen, wissen sie, dass ich abnehmen möchte, also irgendwie unzufrieden mit mir und meinem Körper bin. Dass ich eine Schilddrüsenerkrankung habe, und wahrscheinlich einen Reizdarm. Dass ich gerne lauten Punk höre, seit kurzem aber auch Klassik. Warum ich das erzähle? Weil ich – eigentlich – „nichts zu verbergen“ habe. Es wird sich kein Geheimdienst dafür interessieren, welche Krankheiten ich mit mir rumschleppe, dass ich Übergrößen-BHs brauche und gerne laufen gehe. Es ist irrelevant. Aber dennoch: Es besteht ein Unterschied darin, ob ich das erzähle, ob ich das offen ins Netz stelle oder ob ein Dienst alle meine Daten sammelt und auswertet. Und vor allem kann ich kontrollieren, was ich kommuniziere. Ich werde einen Teufel tun und euch meinen BH-Größe nennen oder meine sexuellen Präferenzen. Das geht keinen was an, das ist meins.  Naja, und das der Geheimdienste.  Sie wissen alles. Name, Geschlecht, Alter, Augenfarbe, Hautbeschaffenheit, Kleidergröße, Hobbys, Arbeitsstelle, Vorlieben, Gebrechen. Alles. Alles. Alles. Und ich fühle mich so scheiße unwohl dabei.

Ich gehöre eigentlich zu den Menschen, die nichts zu verbergen und nichts zu befürchten haben. Die eigentlich so weitermachen könnten wir bisher. Und doch hab ich mein Verhalten geändert, google nicht mehr so viel nach Symptomen, meide bestimmte Internetseiten. Und alles nur, weil ich mich unwohl fühle. Was bleibt, ist eine diffuse Angst. Die sich ziemlich real anfühlt.

One comment

  1. Weidekaiser

    Schöner Beitrag. So geht’s mir auch immer öfter. Manchmal vergesse ich es wieder und dann wird durch Beiträge wie diesen, das ungute Gefühl wieder hervorgekramt. Und das ist auch GUT so. Denn nur wenn man sich das vor Augen hält, zu was man diese Werkzeuge missbrauchen könnte, dann wird einem bewusst, welche Gefahr der ganze Mist bedeuten kann.

    Leider wird das vielen Leuten nicht bewusst.

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